Der thread hat zwar nichts mehr mit seinem Titel zu tun, aber vielleicht bekommen wir ihn noch zum Sommerloch-thread 2008, wer weiss
Da ich mich diese Woche mit einem Museumsleiter unterhalten habe, kann ich sogar ein konkretes Beispiel zitieren. Er bekam einst Besuch, der ihm eine Kiste Metallgegenstaende hinstellte. Die Erklaerung dazu war, man haette sich fuer den Freizeitvertreib einen Metalldetektor gekauft und haette sich mittlerweile gedacht, dass "das Zeug vielleicht fuer's Museum interessant sei". Wann wie wo die einzelnen Gegenstaende geborgen wurden, war vergessen.
Ich kann es gut nachempfinden, wenn einem Archaeologen bzw. Denkmalpfleger bei so einem Fall die Hutschnur platzt. Keine Frage. Einem Sondengaenger mit mehr als drei Gehirnzellen wird es aehnlich gehen, sind es doch die fahrlaessigen (neben den kriminellen) Sondengaenger(n) die durch ihr Verhalten die ganze Gruppe in Misskredit bringen.
Aber, das frage ich Dich Archeos, von dem ich annehme dass Du Autofahrer bist: was empfindest Du, wenn Du Statistiken ueber Verkehrstote liest? Wie wuerdest Du empfinden, wenn die Gruppe der Radfahrer das Autofahren verbieten wollte, da dieses doch jaehrlich Tausende das Leben kostet? Wie wuerdest Du empfinden, wenn Dich die Partei der Fussgaenger diskriminieren wuerde und deren rechter Fluegel den Besitz, Handel und die Nutzung von Automobilen verbieten wollte?
Wir leben in einer Demokratie. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, dass das nicht die beste Staatsform ist, aber die beste die wir kennen. Demokratie bedeutet im Alltag oft einen Kompromiss zwischen den Belangen der [ich uebertreibe] "dummen Masse" und denen einer kleinen, hoch gebildeten Elite.
In unserer Umwelt befinden sich viele Relikte vergangener Zeiten. Archaeologen/Historiker duerfen fuer sich in Anspruch nehmen, in diesem Zusammenhang eine kleine, hoch gebildete Elite zu bilden. Diese reklamiert einen Alleinanspruch auf den Modus, wie mit o. g. Relikten umgegangen wird. Ebenso reklamiert wird ein Alleinanspruch, das oeffentliche Interesse in dieser Richtung zu definieren.
In der angesprochenen Masse gibt es aber noch eine heterogene Gruppe, deren Mitglieder einen persoenlichen Anspruch erheben, ebenfalls nach Relikten forschen zu duerfen.
An dieser Stelle hat die "Elite" in einer Demokratie zwei Probleme:
1. Ist die genannte heterogene Gruppe zahlenmaessig stark, und der Rest der Bevoelkerung indifferent, so folgt aus unserer Staatsform, dass die Interessen der (waehlenden) Bevoelkerung die Expertenmeinung ueberstimmen.
2. Verhalten sich die Mitglieder der Gruppe derart, dass sie mit der Ausuebung ihres Persoenlichkeitsrechtes das Allgemeinwohl bzw. oeffentliches Interesse nicht verletzen, so sollte es keinerlei Basis geben, um ihnen die Ausuebung dieses Rechtes zu verwehren.
Den ersten Punkt nenne ich nicht, weil ich ihn fuer uneingeschraenkt gut halte. Ich halte ihn aber fuer gut, um dem einen oder anderen Archaeologen/Denkmalpfleger vor Augen zu fuehren, dass das oeffentliche Interesse nur zu einem gewissen Teil von seiner Lehrmeinung gebildet wird - er aber zwei Herren hat: seine Profession *und* die Oeffentlichkeit, die ihn bezahlt.
Den zweiten Punkt nenne ich, um auf den Weg zu verweisen, der einen gangbaren Kompromiss bedeutet. Wenn ein Sondengaenger nicht an Orten sucht, an dem bekannte oder zu erwartende Bodendenkmaeler vorkommen - durch deren Stoerung er das oeffentliche Interesse auf Bearbeitung durch eigens dafuer bestellte Experten verletzen wuerde - sondern sich stattdessen darum bemueht, durch dokumentierte Meldung seiner Funde an anderen Orten Informationen vor der Vernichtung zu retten, der Bearbeitung durch Experten zuzufuehren und so dem Gemeinwohl zu dienen, so vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen, was an seinem Handeln nicht legal sein sollte.
Kriminelle Sondengaenger wird es genau so lange geben, wie es Archaeologen/Denkmalpfleger geben wird, die weltfremd die Belange ihrer Wissenschaft kompromisslos ueber die Belange der restlichen Bevoelkerung stellen werden.
Ich wuerde auch spekulieren, dass solange sich "gemaessigte" Archaeologen/Denkmalpfleger aus Angst, als "Nestbeschmutzer" beschimpft zu werden, nicht trauen, im eigenen Kreis fuer eine pragmatische und der Sache dienende Zusammenarbeit zu werben, durch die falsche und feige Solidaritaet im eigenen Kreise nicht zuletzt provoziert wird, dass auch "das andere Lager" seine Fronten verhaertet und eher interne Solidaritaet mit jenen uebt, die sich eigentlich durch ihr Verhalten fuer den guten Kompromiss ueber die Lagergrenzen hinweg disqualifizieren.
Im uebrigen ist interessant, dass in der Regel diejenigen als "Nestbeschmutzer" bezeichnet werden, die den Mut aufbringen, das Nest vom Schmutz befreien zu wollen!
[edit: zwei Rechtschreibfehler]